Meine erste Beziehung - ein etwas holpriger Start

Eine tiefe Unsicherheit und die Angst vor Sex prägten den Beginn meiner Beziehung. Doch Martins Geduld und Respekt zeigten mir: Nähe entsteht nicht durch Druck, sondern durch Vertrauen

Meine erste Beziehung - ein etwas holpriger Start
Photo by Kelly Sikkema / Unsplash

Meine Beziehung zu Martin war etwas, was ich mir immer gewünscht hatte, aber gleichzeitig war ich extrem unsicher. Das alles fing damit an, dass andere in meinem Alter (22 Jahre) wesentlich mehr Erfahrungen gemacht hatten und hörte damit auf, dass mich die Situation mit meinem noch unerkannten Vaginismus verunsicherte. Wie sollte ich jemals Sex haben? Und war das nicht das, was alle Kerle wollten?

Ich hatte ein sehr einseitiges Bild von Sex, von Männern, Beziehungen und dem, was „normal“ war und was Frauen „zu leisten hatten“. Danke an Hollywood und Buchautoren, denn das waren meine einzigen Quellen. Ich war einfach unfassbar unbedarft und vermutlich auch etwas prüde. Ich hatte immer noch Angst, das Sex schmerzhaft sein könnte und dachte letztlich: Das wird nur ihm gefallen. Heute bin ich oft erstaunt über mein extremes Unwissen und meine negative Einstellung.

Martin sah trotz alledem etwas in mir und war sich sicher: Das wird schon, der „Aufwand“ wird sich lohnen. Die taut noch auf und dann wir das eine super Beziehung. Für dieses Vertrauen und diese Weitsichtigkeit – denn Martin lässt sich prinzipiell nur auf Beziehungen ein, von denen er sich auch eine lange Laufzeit verspricht – bewundere ich ihn bis heute.

Martin ist 5 Jahre älter als ich und hatte – anders als ich – diverse Vorbeziehungen. Das verunsicherte mich auch sehr, weil ich mir vorstellte, dass er schon wusste „wie alles lief“ und dadurch auch Erwartungen an mich hatte. Ich kam mir dagegen vor, als müsste ich erst noch das Fahrradfahren lernen, während er schon schwierige Bergstrecken geradelt war.

Mit der Zeit konnte Martin mir diese Ängste nehme. Ich bin immer mehr aufgetaut, erst ganz langsam, Schicht um Schicht, Tag für Tag und Woche für Woche unserer Beziehung. Martin ließ sich auf mein langsames Tempo ein – forderte nichts, sondern suchte meine Zustimmung in allem. Heute denke ich mir: Wie hätte ich je etwas anderes auch nur glaube oder akzeptieren können?

Wahrscheinlich hätte ich es auch nicht akzeptabel gefunden, wenn mein Freund mir gesagt hätte: Ich möchte jetzt Sex mit dir, stell dich nicht so an. Aber gleichzeitig habe ich irgendwie nicht erwartet, dass mein Gegenüber vollstes Verständnis mit mir hat, mich nie auslacht oder etwas von mir fordert, dass ich nicht möchte. Dass mich mein Partner nicht verletzen wollen würde, psychisch und physisch, habe ich irgendwie nicht in Erwägung gezogen. Wie traurig ist das eigentlich? Was für eine abgefuckte Einstellung zu Männern und Beziehungen hatte ich? Warum dachte ich, viele Männer seien nun mal so?

Martin war (und ist) der einfühlsamste Freund, den ich mir hätte wünschen können, er respektiert mich einfach zu 100%, alles andere wäre für ihn undenkbar. Und langsam, aber sicher, kam ich auch dahinter, dass Beziehungen und Sex nicht so funktionieren wie im Kino. Dass es Männer da draußen gab, die vor meiner Unsicherheit nicht schreiend davonliefen oder Sex einforderten, egal ob ich dazu schon bereit war. Männer, die einem die Zeit lassen, die man braucht und einem dabei die größtmögliche Unterstützung geben, so wie Martin mir.

Heute finde ich es immer noch unfassbar, dass ich das zu Beginn unserer Beziehung nicht für das selbstverständlichste der Welt gehalten habe. Allerdings muss ich auch zugeben: Der ein oder andere Bericht aus meinem Freundinnenkreis zeigt mir leider: Es ist bis heute nicht selbstverständlich, dass wir in Beziehungen empathisch und respektvoll miteinander umgehen…